Geschlossene Praxen, Protestmärsche und ein Aufruf zu »Guerillaaktionen«: 2023 bleibt Allgemeinärzten der Widerstand gegen unbezahlte Leistungen, Bürokratie und Digitalisierungsfristen in Erinnerung. Aber wie hat sich der Konflikt auf die Gründungsbereitschaft junger Ärzte und die Patientenversorgung ausgewirkt? Zahlen von jameda.de geben Aufschluss - mit einem Ausblick für 2024.
Berlin, 19.12.2023 - »Wir sind ausgeblutet. Seit 30 Jahren zwingen Politik und Kassen die Arztpraxen zu schmerzhaften Sparmaßnahmen. Wir können nicht mehr.« Mit diesen Worten rief der Virchowbund 2023 zu bundesweit mehr als 20 Protestmärschen auf.
Doch standen Allgemein- und Hausarztpraxen dieses Jahr tatsächlich vor dem Kollaps? Sind junge Absolventen wirklich immer seltener dazu bereit, sich niederzulassen, wie es KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner betont hat? jameda.de hat den Status quo in Bezug auf Wachstum, Patientenzufriedenheit und die wichtigsten Leistungen untersucht - mit klaren Aussichten für 2024.
Starkes Wachstum, mäßige Patientenzufriedenheit
Aktuell listet jameda.de 39.566 Allgemeinärzte, die täglich bis zu 2 Mio. Patienten versorgen. 2023 kamen fast 1.300 neue Profile von Praxen und Ärzten hinzu - ein Zuwachs um 3.25%. Damit fällt das Wachstum in der Allgemeinmedizin ca. dreimal so hoch aus wie in der gesamten Versorgung (⌀ 1.25%).
Besonders positiv bewertet: das Engagement von Allgemeinärzten
Etwas unter dem Gesamtschnitt aller gelisteten Ärzte und Heilberufler (⌀ 4.61) liegen Allgemeinärzte hingegen bei der Patientenzufriedenheit. So erreichen sie durchschnittlich 4.42 von 5.0 Sternen. Während ausführliche Erklärungen und das Engagement im Termin gelobt werden, gelten lange Praxis-Wartezeiten vielen Patienten als Problem.
Gewaltige Leistung: Kurzfristige Termine trotz enormer Patientenzahlen
Das ist keine Überraschung - Mit durchschnittlich 52 Patienten am Tag liegen Allgemeinärzte im Vergleich zu ihren Fachkollegen an der Spitze.* Weil es sich dabei oft um akute Fälle handelt, müssen Praxen zudem direkte Termine vorhalten: Dürfen fachübergreifend nur 24% der Patienten mit einem Behandlungstermin innerhalb von sieben Tagen rechnen, sind es unter Allgemeinärzten mehr als doppelt so viele (57%) - ein absoluter Spitzenwert.**
Die wichtigsten Leistungen: Wofür zum Allgemeinarzt?
Entsprechend waren auch die wichtigsten Gründe, aus denen Patienten ihre Allgemein- und Hausärzte 2023 aufsuchten, akute Schmerzen, gefolgt von der Infektionssprechstunde, der Impfung und der Blutentnahme.
2024: Unter Druck gepresste Diamanten
Die Zahlen zur Terminverfügbarkeit zeigen: Allgemein- und Hausärzte waren in 2023 das Rückgrat der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Dabei schrecken Praxisgründer enorme Patientenzahlen und die vom Virchowbund kritisierten Probleme nicht ab - ganz im Gegenteil, die Niederlassungsbereitschaft ist ungebrochen.
Beginnt 2024 so, wie 2023 endet, sind neue Rekorde an Atemwegsinfektionen und Krankheitstagen zu erwarten.*** Für Allgemeinmediziner bedeutet das viel Arbeit - für Politik und Kassen, den Forderungen der Berufsgruppe endlich nachzukommen.
* idana.com 08/22: Fachärzte und Psychotherapeuten kommen auf ca. 812 Patienten pro Quartal
** jameda Studie 11/2023: Die meisten Patienten in Deutschland warten fachübergreifend zwischen 7 und 30 Tagen auf einen Arzttermin (51%), bei Allgemeinmedizinern sind es nur 35%. Länger als 30 Tage wartet fachübergreifend jeder vierte Patient (25%), unter Allgemeinmedizinern sind es 7%.
*** zdf_heute, 23.05.2023
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